#7 Wie wollen Sie beerdigt werden?


Gerade habe ich einen Anruf von einem Sterbegeld-Versicherer erhalten.
Die Frage: Wie wollen Sie beerdigt werden?
Ich konnte keine Antwort geben. „Tot“ hoffentlich.

Dieser Gedanke begleitet mich oft:
Was ist, wenn ich sterbe und meine Tochter aber doch Zeit Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen ist?
Was ist, wenn ich mich nicht mehr um sie kümmern kann, schlimmstenfalls auch ihr Papa nicht?
Was ist, wenn mein Kind nicht auf die Beine kommt, sich nicht selbständig fortbewegen kann, sich nicht selbständig versorgen kann?
Was ist, wenn auch Zugehörige das nicht leisten können oder wollen, und was ist, wenn auch das Gesundheitssystem nicht mehr Netz und doppelten Boden bereithält.
Wie sorgt man da vor? Finanziell? Strukturell?
Emotional ist es doch ohnehin nicht möglich.

Und dann die verschärfte Korrektur meines Gedankenspiels:
Was ist, sobald ich mich nicht mehr kümmern kann?

Manchmal erwischt mich dieser Gedanke von hinten links nachts im Bett, mein Mäusekind selig schnarchend neben mir.

Vor allem Eltern, die ihre behinderten Kinder pflegen, sind früher oder später in besonderem Maße gezwungen sich diese Gedanken zu machen. Denn naturgemäß überleben einen die Kinder, nicht andersrum.

Und auf der anderen Seite – Achtung Plot Twist – höre ich Kindergartenmamas darüber diskutieren, ob sie ihre Kinder mit dem Auto in den ersten Jahren zur Schule fahren werden. Vielleicht ahnend, dass sie naturgemäß eines Tages nicht mehr in der aktuellen Frequenz als Mamas und Papas gebraucht werden.

Ich kann mir vorstellen, was ihr, liebe Lesenden, nun vielleicht denken mögt: Ach, wie einfältig manche Kindergartenmamas doch sind!

Und ja, das war auch mein erster Gedanke, zugegeben: ich bekleckere mich hier nicht mit Ruhm.
 
Mein zweiter Gedanke: Recht haben sie, diese Mamas! 
Die gemeinsam verbrachten Taxifahrten sind nämlich genau die Zeiten, in denen die Kinder oder Heranwachsenden vielleicht von sich erzählen wollen, aus ihrem Alltag, von ihren Problemen, von ihren Highlights – so berichtete mir eine meiner Kolleginnen von ihren Kindern ohne Behinderung.

Am Ende der Tage geht es doch genau darum: eine echte, stabile Verbindung zu unseren Kindern aufgebaut zu haben, auf die sie sich verlassen können. Auf die sie am Ende unserer Tage zurückblicken können. Die sie für ihre innere Sicherheit und Balance anzapfen können, wenn sie mal nicht weiterwissen. 

Im Idealfall hat ein Kind, ob behindert oder nicht, verschiedene Bezugspersonen neben Mama und Papa. Das viel zitierte Dorf, das ein Kind um sich herum braucht, um groß zu werden, zu reifen, selbständiger zu werden. 
Gut, in unserem Fall sollte es schon ein kleines Städtchen sein, wir arbeiten ja daran. 

Im Grunde fahren wir doch alle durch den selben Sturm, nur der eine in einer Yacht, die andere in einer Nussschale: doch wir alle brauchen Menschen, die uns stützen, die Nussschale braucht mehr, die Yacht vielleicht weniger Unterstützung.

Wir Menschenskinder können nicht ohne die anderen. Wir glauben das vielleicht manchmal, aber in letzter Konsequenz wollen wir nicht allein sein. Und sollten es auch nicht. 
Es wird der Tag kommen, an dem wir stabile Verbindungen brauchen, sei es für uns selbst oder für unsere Kinder. 

Auf unseren unzähligen Fahrten zu Ärzten, Orthopäden, Apotheken (unser eigentlich größtes "Hobby") lasse ich mir also nun viel achtsamer von meinem kleinen „Radio“ bunte, kleine Geschichten erzählen. 
Und wenn ich gerade nicht zuhören kann, bitte ich andere Dorfbewohner um Unterstützung. 

Seid ihr auch Bewohner eines Dorfes oder gar eines Städtchens? Ihr könnt euch glücklich schätzen - oder aber andernfalls gerne eure Bewerbung bei mir einreichen. Wir freuen uns.

Inklusive Grüße, 
Eure Christine