#6 Call me Mamazon
oder: Madame Unghampad (bairisch: sperrig)
Hallo zusammen,
ihr habt lange nichts von uns gehört. Ich könnte sagen, ich habe ein Buch geschrieben (noch nicht, aber ich bin dran, ein lustiges wird's), ich könnte sagen, ich habe die Welt gerettet (unsere mit Sicherheit ein bisschen), ich könnte sagen, ich habe etwas phänomenal Cooles gemacht (zählt Trockner selbst reparieren dazu?).
Aber nein, ich sag es einfach frei raus: ein Burnout, zwei Auto-Verkäufe und ein Auto-Ankauf, viele, viele Wochen lang Infekte wie Magen-Darm, Fieber und „Ichweißnichtwasesistwirwarten-maleinpaarTageab“, wiederholt abgelehnte Hilfsmittel-Verordnungen… und so allerlei Trallala.
Aber: wir haben’s überlebt.
Survival Mode: off.
Magic Life: on (again).
Die Geschichte mit dem Trockner gefiele mir durchaus besser. Dafür muss man auch keine Trigger-Warnung aussprechen, oder?
Aber fangen wir von vorne an:
In meinem Kopf ist Karussell, wenn wir unterwegs sein wollen: wann packe ich wie was wohin, was nehme ich mit, wohin damit, wenn nicht benötigt… und äh achso… Klein M muss auch noch rein ins Auto…
Kurzum: Das Lager (= das Auto), mein kleiner City-Traum namens Fiat Panda wurde zu klein.
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Kennt ihr das Rätsel mit Kohlkopf, Schaf, Wolf und Fährmann? Nein? Habt ihr Lust? Nein?
Trotzdem los – wie so oft im Leben: 😉
Es gilt einen Fluss zu überqueren. Beide Tiere, der Fährmann und der Kohlkopf müssen im Ganzen und lebendig ans andere Ufer. Dabei gelten folgende Regeln: der Wolf frisst das Schaf, das Schaf frisst den Kohlkopf, und der Fährmann kann maximal zwei Mitfahrer ins Boot laden. Wie kommen alle sicher und nicht angeknabbert, also überlebend und unverletzt (#lifegoal) ans andere Ufer?
Viel Spaß beim Rätseln!
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Zwischenzeitlich schnuppert ihr in meinen Nebenberuf Logistikerin rein – ein virtuelles Praktikum, geht doch eh alles virtuell seit Corona – habt euch nicht so:
Call me Mamazon!
Abgesehen von der Lagergröße – die manchen Besuchern bemitleidenswert klein erscheint – stehe ich dem großen amazonischen Anbieter in Nichts nach. Gut, die Zahl und Arbeitsmoral der Angestellten (by the way: wo sind die denn alle, meine Angestellten, eigentlich?) ist auch eine andere. Aber die Anforderungen an logistisch ausgeklügelte und pragmatische Lösungen weisen definitiv große Ähnlichkeiten auf.
Meine bisherigen – heiligen – Lagerhallen: Fiat Panda, Tiefgaragen-Stellplatzwand, Kinderzimmer, Campingbus, Wohnzimmer, Loggia, Keller.
In meiner Traumwelt fahre ich mit Gabelstapler an allen Lagerhallen vorbei – was M sicherlich spannend fände (und ich auch!) – um alles zu transportieren, was „zufällig“ auf den Boden „gefallen“ ist, oder was schwer ist, was im Weg rum liegt, was sperrig (unghambad) ist, was alles in meinen Fiat Panda muss, um zusammen mit Klein-M irgendwo hingebracht zu werden.
Es gilt also Sperrgut und Päckchen möglichst klug zu verstauen.
Das „Sperrgut“, das immer irgendwas versperrt (deswegen nennt man es so (! AAAAAAAHHHHH !!!): Buggy, Rollstuhl, Rollator, Therapie-Stuhl, Galileo®-Physiotherapie-Wackel-Platte.
Die „Päckchen“: Decke, Tasche mit Orthesen in 12 Teilen, Kindergarten-Rucksack mit Brille und Okklusionspflaster (ein Auge wird von Zeit zu Zeit abgeklebt, ein Spaß: nicht!), Daumen-Orthese, Dose mit Brotzeit, Trinkflasche, Kommunikationsbuch für die ErzieherInnen; warme Handschuhe-Wintersack-Mütze-Schal oder Sonnencreme und Cap (bald wieder!), Orthesen-Schuhe für drinnen, Orthesen-Schuhe für draußen, „normale“ Schuhe, Socken für normale Schuhe, Wickel-Tasche, Schwerbehinderten-Ausweis, Personal-Ausweis, Krankenkassen-Karten, Rollstuhl-Parkausweis.
Übergabefähig sein: kann ich. Tschakka.
Hab ich alles für M? Hab ich was vergessen?
Mir raucht der Kopf. Euch auch?
Und dann kommen vielleicht noch Einkaufstüten hinzu, meine persönliche Handtasche, eine Badetasche im Sommer oder dicke Kleidung im Winter.
Und schon fühl ich mich wie ein privater Sherpa.
Ich bin mir sicher, ich war in einem meiner früheren Leben Sherpa, bestimmt. Daher kann ich das auch so gut. Ich: Sokoban-Queen.
Ein großer Dank geht an dieser Stelle an meinen Papa, der mir sowohl Sokoban (PC-Spiel aus den 80ern: Kisten schieben durch irgendwelche Höhlen in 2D) als auch das eingangs erwähnte Rätsel mit auf meinen Lebensweg gegeben hat.
Der ahnte vielleicht schon, wie hilfreich es eines Tages werden würde.
Und seien wir ehrlich: wie oft sind die Ratschläge der Eltern hilfreich?!
(Denkpause)
Jedenfalls, die gute Nachricht ist: es geht Vieles rein in den kleinen Fiat Panda.
Die schlechte Nachricht: alles, was rein geht, muss auch wieder raus. (Das gilt übrigens auch für verschluckte Milchzähne und Olivenkerne. Führt gerne in euren Gedanken diese Übung weiter, wenn euch danach ist.)
In der Folge bedeutet dies, als wirklich einer der – na sagen wir wenn nicht größten äußeren, körperlichen Vorteile in meinem Leben: ich habe seit ich Mama bin definierte Oberarme. Tschakka! Und das ohne für ein Fitness-Studio monatlich 59,90 EUR zu bezahlen.
Mir dämmert da gerade ein Kooperationsmodell mit Personal Trainern: Falls unter den geneigten Lesern jemand weilt, der selbst Trainer ist und seine Kunden Drill Sergeant mäßig antreiben will, ich hätte hier wunderbar erweiterbare Module, staffelbar in Gewicht, Größe und Sperrigkeit, auch gut für das Beckenboden-Training – just give me a call!
Auf unserer letzten Therapiereise in Köln warb übrigens ein Fitness-Studio für 9,90 EUR je Eintritt. Das fand ich super. Das halte ich für realistisch. Stellt euch doch mal vor, für knapp 10 EUR ein Jahr lang Fitnessstudio! Mega günstig. Witz verstanden? No? Read it again.
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Kommen wir zurück, ich bin also tagein tagaus Sherpa, und nach den ersten Tagesstunden gegen 10 Uhr auch meist durch mit dem Tag. Haha, zu früh gefreut, da geht es meist frisch, fromm, frei weiter.
Zwischendurch spüre ich die nachlassende Spannkraft meines Beckenbodens – nur hin und wieder, okay? – und denke, huiuiui, sollte ich mal wieder „was“ machen.
Und mir fällt der ärztliche Ratschlag ein: Frauen sollten regelmäßig nicht mehr als 10 kg heben. Hahaha. Ich lache immer noch. Hauptsächlich über das Leben.
Und spanne den Beckenboden dabei gehorsam an. Pflücke Blumen damit oder fahre Aufzug… Die Ladies und auch der ein oder andere Mann wissen Bescheid, was ich meine.
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M wird also größer und mobiler, die Hilfsmittel werden größer und sperriger, der kleine süße schnuckelige Panda musste also weg.
Ein neues Auto, in das der Rollstuhl (und die Liste siehe oben) passt, musste her. Und weil ich keine Milliardärin bin – nicht monetär, aber im Herzen, ohhh – musste leider, leider, leider auch der Campingbus weiterziehen und reist seit Februar mit einem Ehepaar aus Regensburg durch die Toskana und die restliche Welt (Herzliche Grüße an dieser Stelle!).
Der neue: ein Caddy. Farbe: bronze. Unästhetische Menschen würden auch behaupten: braun. Aber ich finde das mehr als despektierlich.
Winkt uns doch mal zu, wenn ihr uns seht!
Nun, worauf wollte ich hinaus?
Öhhh, ich habe den roten Faden verloren.
Manchmal verliert man den roten Faden, am Ende des Tages, oder auch im Leben. Nicht wahr?
Und genauso geht es mir am Tagesende oft. Man macht und tut und wuselt und und und, und dann ist im Kopf „tuuuut, tuuuut,…“.
Was wollte ich eigentlich, wohin, mit wem, wer ist mir wohlgesonnen, und warum will ich das? Den ganzen Tag fremdgesteuert? Wo ist gleich nochmal meins, wo bin ich, wer bin ich?
Seht ihr‘s? Spürt ihr’s auch?
Falls ihr dieses unzufriedenstellende Gefühl jetzt auch habt, sorry: not sorry!
Da gibt's was dagegen.
Wo wollen wir eigentlich hin im Leben, wo geht unser Weg lang, wie viele Abkürzungen oder Umwege wollten wir schon nehmen, die sich dann als falsch erwiesen, mit wem wollen wir den Weg gehen, was und wer macht uns glücklich im Leben, was nicht (und was kann folglich weg!), was ist das große Ziel, was ist mein Wunsch, meine Vision, wie kommen wir dorthin, langfristig, wie wollen wir eigentlich leben, wie will ich eigentlich leben, und was tue ich dafür, dorthin zu kommen?
Seit einiger Zeit lasse ich mich deshalb von einem Coach begleiten, mir unangenehme Fragen stellen, lasse mein inneres Kind weinen, räume auf. Und das ist sehr hilfreich.
Ich lade euch ein – und das ist absolut zeitgemäß und kein Tabu mehr – euch ebenfalls einen Profi mit ins Boot zu holen, sofern gewünscht, einen Coach, einen Therapeuten, einen Psychologen, das geht online, das geht face-to-face, das geht telefonisch, das geht auf Rezept, das kann eine Reha sein, eine Kur, was auch immer hilft, die eigene Mitte zu finden und dort zu bleiben.
Echte Freunde und Familie können und sollten uns stützen, sind aber keine Profis und haben nicht den entsprechenden Hintergrund, der notwendig ist, den Weg, deinen Weg zu finden. Und es ist auch nicht deren Aufgabe.
An dieser Stelle bitte Taschentücher auspacken: Danke an meine besten FreundINNen und meine Familie, die mich in schwierigen Zeiten (Spoiler: vielleicht kommt da immer mal wieder was😉 ) halten und aushalten und mir den Kopf gerade rücken oder drehen. Liebe geht raus an euch!
À propos „ins Boot holen“: Habt ihr das Rätsel gelöst?
Hier bitte:
1. Der Fährmann überquert mit dem Schaf den Fluss und setzt es am anderen Ufer ab.
2. Der Fährmann rudert anschließend allein zurück.
3. Der Fährmann nimmt jetzt den Kohlkopf mit. Er setzt ihn am Ufer ab.
4. Damit das Schaf sich nicht über den Kohlkopf hermacht, nimmt er das Schaf auf seinem Rückweg wieder mit.
5. Der Fährmann setzt jetzt das Schaf ab, nimmt den Wolf mit und lässt ihn am anderen Ufer mit dem Kohlkopf zurück.
6. Der Fährmann rudert wieder alleine zurück.
7. Der Fährmann nimmt schließlich das Schaf mit.
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Für heute: Alles Gute beim Suchen und Finden eures Weges! Vielleicht sehen wir uns ja.
Ich packe jetzt erstmal aus.